Für seine Bücher bekam er 2005 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und 2006 den Nobelpreis für Literatur. In Europa wurde er durch den Roman »Schnee« und seine Schriften über Istanbul bekannt, zuletzt »Das Museum der Unschuld«. |

UNRAST UND MELANCHOLIE von Hubert Spiegel

Im Taxi in Köln, auf dem Weg vom Hotel zu einer Lesung, im Getümmel der Frankfurter Buchmesse oder vor dem Auftritt im Hamburger Schauspielhaus, wo draußen Sicherheitskräfte der Polizei und drinnen tausend Menschen auf den Schriftsteller warten, der sich mit seiner offenen Kritik an der Haltung der Türkei zur Armenier- und Kurdenfrage in Gefahr gebracht hatte: Orhan Pamuk vermittelt einem oft das Gefühl, es gehe ihm alles nicht rasch genug. Das Leben, scheint er dann sagen zu wollen, geht doch auch weiter, da dürfen wir nicht zurückbleiben; wir müssen Schritt halten, wenn wir nichts verpassen wollen. Und ein Schriftsteller will nichts verpassen vom Leben, darf nichts verpassen: »Denn nichts kann so erstaunlich sein wie das Leben. Außer dem Schreiben. Ja, natürlich, außer dem Schreiben, dem einzigen Trost.« So sieht es der Erzähler in seinem Roman »Das schwarze Buch«, und so sieht es der Schriftsteller Orhan Pamuk. Bei seinen Lesungen in Deutschland sind stets auch viele seiner türkischen Leser im Publikum.

Als Pamuk Anfang 2011 die deutsche Übersetzung seines Debütromans »Cevdet und seine Söhne« vorstellte, den er im jungen Alter von 22 Jahren geschrieben hat, füllte er mühelos die größten Säle, ob in Köln, Stuttgart oder Berlin. Allein zur Internationalen Kulturfabrik Hamburg strömten 1200 Zuhörer.

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Hubert Spiegel ist Redakteur der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« und Herausgeber der Bände »Welch ein Leben. Marcel Reich-Ranickis Erinnerungen«, »Lieber Lord Chandos. Antworten auf einen Brief«, »Mein Lieblingsbuch«, »Begegnungen mit Marcel Reich-Ranicki« und »Kafkas Sätze«. 2005 erhielt er den Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik.

© KulturForum / Hubert Spiegel, Frankfurt am Main, April 2011

Auszug aus dem Essay im Begleitheft zur Filmreihe »Menschenlandschaften - Sechs Autorenportraits der Türkei«, hergestellt und herausgegeben vom KulturForum TürkeiDeutschland.

Mehr über den Autor unter www.orhan-pamuk.de und www.orhanpamuk.net